Seit mehr als 300 Jahren arbeitet die Wissenschaft hart daran, die Menschheit von seinem selbstgebauten Sockel zu stoßen. Alst erstes musste verkraftet werden, dass die Erde nicht im Zentrum des Universums steht, kurz danach war es nicht einmal mehr die Sonne. Dann kam Darwin und machte klar, dass der Mensch auch nur ein Ergebnis der Evolution ist (wenn auch ein ziemlich erfolgreiches). Dawkins machte uns zu bloßen Vehikeln egoistischer Gene, ließ uns aber wenigstens noch den Glauben, dass unser Leben eine zumindest teilweise vom freien menschlichen Willen selbstbestimmte Angelegenheit ist. Schon Dawkins Vorstellung davon, wie stark uns unsere Gene an die Leine genommen haben und dass wir letztlich nur das Ergebnis eines ziemlich stumpfen Algorithmus ohne Sinn und Ziel sein sollen, ist schwer zu verkraften. Er hatte in seinem Buch „Das egoistische Gen“ allerdings schon den nächsten Schlag in das Kontor der menschlichen Eitelkeit vorbereitet: Die Meme.
Den Elfmeter, den er nachfolgenden Wissenschaftlern hingelegte, verwandelt nun Susan Blackmore in dem Buch „Die Macht der Meme“ und beendet damit erst einmal vorläufig die jahrhundertelange Demontage unseres Selbstbildes.
Das Prinzip der biologischen Evolution ist verallgemeinerungsfähig. Es besteht im Wesentlichen aus 3 Elementen: Replikation, Variation, Selektion. Gene sind erstaunlich leistungsfähige aber nicht die einzig denkbaren Replikatoren. Wenn ein Replikator erst einmal in der Welt ist und die Merkmale einer gewissen Langlebigkeit mit hoher Wiedergabetreue beim Kopiervorgang vereint, beginnt die Evolution.
Das menschliche Hirn ist hat ein besonderes Talent, nämlich das zur Imitation, kombiniert mit einem relativ guten Gedächtnis. Damit kann es der Wirt für einen weiteren Replikator sein: dem Mem.
Meme sind ersteinmal Informationseinheiten. Allerdings teilen sie ein paar Eigenschaften mit den Genen. Sie replizieren. Durch unser Gedächtnis haben wir ihnen die Umgebung für das zweite Evolutionserfordernis, die Langlebigkeit, durch unsere Imitatationsfähikgkeit geben wir ihnen das dritte erforderliche Element, die Widergabetreue. Im Laufe der Menschheitsgeschichte haben wir die Wiedergabetreue und Langlebigkeit durch Schrift und heute durch die Digitalisierung erheblich erhöht. Es kam zu einer erheblichen Wechselwirkung der beiden Replikatoren Gene und Meme. Meme haben auch die genetische Evolution beim Menschen mit beeinflusst. Blackmore nennt das eine Koevolution der beiden Replikatoren.
Sie erklärt damit ein paar menschliche Eigenschaften deutlich schlüssiger und widerspruchsfreier als frühere Erklärungsansätze. Z.B. warum wir nicht aufhören können zu denken, warum wir so viel reden, warum so viele Menschen religiös sind. Meme nutzen uns als Wirt um ihren Kampf untereinander durch uns zu führen.
Die wirklich beunruhigende Schlussfolgerung von ihr daraus: Der freie Wille ist eine Illusion.
Diese Behauptung ist nicht wirklich neu und sensationell. Das Neue ist die Herleitung. Und diese wirkt auf den ersten Blick so schlüssig und leider auch zwingend, dass einem als Leser erst mal nichts einfällt, warum es auch anders sein könnte.
In meinem Innern bin ich überzeugt, dass zwar ihr Modell der Koevolution richtig ist, aber ihre Schlussforgerung in Bezug auf die fehlende Möglichkeit der Willensfreiheit falsch. Wir sind in unserem Verhalten sehr stark durch Gene, Meme und Reize aus der Umwelt determiniert. Aber es bleibt meiner Meinung nach immer noch ein kleiner aber entscheidender Raum für einen freien Willen. Ich hoffe, es findet sich bald jemand, der das wissenschaftlich belegen kann.
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