Dieses Buch sticht klar aus allen Büchern hervor, die ich in den letzten Jahren gelesen habe.
Es ist große Sprachkunst, mit einem unglaublich negativen Menschheitsbild versehen, tottraurig, irgendwie abstoßend und gleichzeitig einen Sog entwickelnd, der es einem bei aller Qual beim Lesen unmöglich macht, das Buch einfach weg zulegen, um es nie wieder anzurühren.
Es geht um den Zwitter Toto, der 1966 in der DDR von einer Alkoholikerin geboren und kurz nach der Geburt ins Heim gebracht wird. In dem Heim wird Toto misshandelt und schließlich von der Heimleiterin an ein ebenfalls schwer alkoholkrankes Bauernpaar als Sklave verkauft. So rasselt Toto von einer Katastrophe in die nächste, kommt noch vor der Maueröffnung nach Westdeutschland, landet in Hamburg. Der Roman begleitet sie bis in die Zukunft im Jahre 2030 wo sie schließlich an einer Verstrahlung stirbt, die sie durch einen radioaktiven Stent erlangt. Diesen hat sie bei einer OP eingepflanzt bekommen, weil ihr Todfeind die Ärzte bestochen hat. Toto ist vollkommen gutmütig und erträgt ihr Schicksal bis an die Lethargiegrenze. Die Menschen begegnen ihr fast ausschließlich außerordentlich feindselig. Neben verbalen Demütigungen wird sie immer wieder Opfer übelster köperlicher Gewalt.
Noch schlimmer als das Schicksal von Toto ist die völlige Ausweglosigkeit ihrer Peiniger und der sonstigen Figuren in dem Buch. Das Leben an sich wird als nutzlos, trist, ohne Hoffung und natürlich glücklos beschrieben.
Ich glaube, die Faszination dieses Romans rührt auch daher, dass jeder schon mal in dunklen Phasen ähnlich gedacht hat, wie die Figuren im Roman. Sie werden immer wieder in einer schwer erträglichen Verfassung beschrieben. Dabei wird fast keine Gruppierung ausgelassen. Egal ob man Banker, Gastronom, Bio-Warenkäufer, Reihenhausbesitzer, Altenheimbewohner, Kommunarde oder wer auch immer ist: Nahezu jede soziale Gruppe wirden unbarmherzig seziert und vorgeführt. Die schlimmsten Gedanken, die man in solchen Rollen denken kann, bekommt man von Sibylle Berg um die Ohren gehauen. Ich habe noch nie ein Buch gelesen, dass so unversöhnlich mit der Menschheit umgeht.
Kafkas Prozess ist dagegen eine leichte Humoreske. Verstörender geht es kaum. Ich habe allerdings auch selten so lange über einen Roman nachgedacht, wie über diesen. Häufiger als einmal in 10 Jahren möchte ich ein solches Buch nicht lesen.
Ich werde die Autorin in en paar Wochen persönlich kennen lernen. Ich bin sehr gespannt, wie sie als Mensch ist und ob sie ständig unter Antidepressiva steht, um ihre eigenen Bilder und Gedanken aushalten zu können.
Bewertung: *****
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Eine Sprachkunst kann ich dieser Autorin auf jeden Fall auch zusprechen.