„Neujahr“ von Juli Zeh ist ein intensiver und mitreißender Roman, der die Leser auf eine tiefgehende psychologische Reise mitnimmt. Im Mittelpunkt steht Henning, ein Familienvater, der während eines Urlaubs auf Lanzarote an Neujahr eine Fahrradtour unternimmt, die ihn unerwartet mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert. Hennings mühsame Fahrt nach Femés wird nicht nur zu einer physischen, sondern auch zu einer emotionalen Herausforderung, als er plötzlich von Panikattacken und traumatischen Kindheitserinnerungen heimgesucht wird.
Juli Zeh gelingt es, Themen wie familiäre Verantwortung, Vernachlässigung und die tiefgreifenden Auswirkungen von Kindheitstraumata auf eine sehr persönliche und nahezu autobiografische Weise zu erkunden. Die Autorin reflektiert über die Ängste und Probleme, die sie selbst in ihrer Rolle als Mutter erlebt hat, und webt diese in die Geschichte ein, was dem Roman eine außergewöhnliche Authentizität und Tiefe verleiht.
Das Buch wird als eine verstörende, aufwühlende Geschichte beschrieben, die eine fast unerträgliche Spannung erzeugt, während sie die traumatischen Erlebnisse Hennings und seiner Schwester Luna detailliert schildert. Leser finden sich in einer Trance wieder, gefangen in der Notwendigkeit, herauszufinden, was in Hennings Kindheit geschehen ist. Trotz seiner Kürze schafft „Neujahr“ es, ein intensives Bild der Überforderung und des inneren Kampfes zu zeichnen, mit dem Henning konfrontiert ist.
Juli Zehs Roman greift auch das gesellschaftlich virulente Problem der Überforderung auf, das durch den Zwang zur guten Performance, Leistungsdruck und die Erwartung, funktionieren zu müssen, verstärkt wird. Der Roman ist eine meisterhafte Erzählung, die nicht nur die Probleme eines modernen Vaters beleuchtet, sondern auch die allgegenwärtigen Fragen nach Identität, Verantwortung und dem Wunsch nach einem authentischen Leben stellt.
„Neujahr“ ist somit nicht nur ein psychologisches Drama, sondern auch ein gesellschaftskritischer Kommentar, der die Leser dazu einlädt, über eigene Lebensentwürfe, familiäre Dynamiken und die tiefen Spuren nachzudenken, die die Vergangenheit in uns hinterlassen kann. Juli Zeh beweist einmal mehr ihre große Erzählkunst, indem sie komplexe Themen mit literarischem Anspruch und tiefgehender menschlicher Empathie verbindet.