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Musik

Hurricane 2010

By 04.07.10Juli 26th, 2010No Comments

Musikalisch betrachtet fand ich das 2010er Hurricane deutlich besser als 2009 und das war schon nicht schlecht. Nach Veranstalterangaben waren dieses Jahr ca. 10.000 Besucher mehr da als 2009. Es fühlte sich allerdings an, als wären es mehr als doppelt so viele Besucher gewesen.

Das Festival war eindeutig überbesucht und das hat den Spaß stellenweise ganz schön geschmälert. Die Toiletten waren ab der Mitte des 2. Tages zur Hälfte nicht mehr zu gebrauchen. Während man 2009 ganz entspannt von einem Auftritt zum nächsten gehen konnte, war dies dieses Mal nicht möglich. Selbst wenn man teilweise eine halbe Stunde vor Beginn da war, konnte man nicht sicher sein, dass man beispielsweise noch ins Zelt kam. Das hat dann auch zu erheblichen Sicherheitsproblemen geführt. Bei Bonaparte war vor dem Zelt so viel Randale durch Besucher, die nicht mehr hereingekommen sind, das fast abgebrochen werden musste. Im weißen Zelt wurden nach dem Auftritt von Frittenbude alle weiteren Konzerte des Samstags gleich abgesagt, weil es zu gefährlich wurde. Auch bei den großen Bühnen im freien kam man ohne Gefahr bei einigen Bands nicht mehr wirklich in Hörweite.

Vom Wetter her gab es keine Hitzeprobleme. Es blieb bis auf 2-3 kurze Schauer die ganze Zeit trocken, es war aber bei starkem Wind mit 10-15 Grad ganz schön kalt.

Ich habe dieses Mal wieder ein paar Bands gesehen, die ich vorher noch nicht kannte und die eine echte Bereicherung meines Portfolios geworden sind.

Diese Konzerte habe ich gesehen:

Jennifer Rostock
Sie klang wie „Ideal“ während der Neuen Deutschen Welle. Das war musikalisch gar nicht schlecht aber es fiel schwer sich bei ihr auf die Musik zu konzentrieren. Sie hatte an dem Tag den Preis für das furchtbarste Outfit sicher in der Tasche und man konnte trotzdem wie bei einem Verkehrsunfall nicht wegschauen. Man hörte Kommentare wie: Sieht aus wie eine englische Prostituierte und irgendwie war das eine treffende Beschreibung.

Paramore
Bewährt und gut. Starke Sängerin.

Kashmir
Eine Neuentdeckung für mich und der erste wirklich starke Auftritt des Tages.

The Temper Trap
Kannte ich auch noch nicht. Die Jungs aus Australien hatten dort 2009 ihr erstes starkes Jahr und man wird sicher auch in Deutschland noch eine Menge von ihnen hören.

Danko Jones
Grundsolides Handwerk aber wenig aufregend, gute Aufwärmübung für:

Beatsteaks
Die Meister der Livemusik. Keine andere Band hat an dem Tag das Publikum gleich von Anfang an so im Griff gehabt wie sie. Perfekter Sound, perfekte Show, die 90 Minuten vergingen wie im Fluge. Wenn man die mal live gesehen hat, ist man für die Alben verloren. Der Unterschied in der Energie ist einfach zu heftig. Der Auftritt war so gut, dass sich am nächsten Tag Billy Talent zu einer schon fast peinlichen Huldigung genötigt sah.

Florence& the Machine
Vertreterin einer relativ neuen Musikgattung aus England zu der auch Bat for Lashes gehört. elektroniklastig mit Anleihen aus den 80ern mit schönen Melodien.

Coheed & Cambria
Ich fand sie dieses Mal ein bisschen müde und farblos. Ganz im Gegensatz zu:

Deftones
Mannomann, haben die einen Druck gemacht. Die haben das Publikum so in Wallung gebracht, dass hier die erste Sicherheitsunterbrechung fällig wurde, um Tote und Verletzte zu vermeiden. Der Sänger war sichtlich geschockt von der Randale im Publikum. Trotzdem hat er nach der Unterbrechung nicht die Handbremse gezogen.

Skunk Anansie
Was für eine Stimme. Auch nach 15 Jahren immer noch in Topform. An dem Tag hat sie zwar das mit Abstand hässlichste Outfit geboten, das hat der Show aber dann doch nicht geschadet.

Porcupine Tree
Die beste Neuentdeckung für mich beim diesjährigen Hurricane. Die Musik ist schwer einzuordnen. Irgendwo zwischen Pink Floyd und Metallica. Der Sound hat überzeugt. Es waren sehr schöne melodische Lieder kombiniert mit Druck dabei. Ich habe mir sofort danach das aktuelle Album besorgt.

Bonaparte
Der Wahnsinn in Musik und Show gepackt. Bei Wikipedia wird das ganze als Visual Trash Punk bezeichnet. So ganz passt das nicht, aber mir fällt dazu auch nichts Passenderes ein. Von der ersten Sekunde an kochte das Zelt und hier wurde dann die zweite Sicherheitsunterbrechung fällig. Wer das noch nicht gesehen hat, kann sich nur schwer vorstellen, wie bizarr die Show ist. 4 Musiker und 6 Komparsen (oder Ausdruckstänzer) turnen in den absurdesten Verkleidungen auf der Bühne herum und hauen mit punkähnlicher Musik voll rein. Muss man einfach mal gesehen haben.

Billy Talent
Eine der wenigen Gruppen, deren Alben mir besser gefallen haben als dieser Liveauftritt. Das war alles ein bisschen zu bemüht und glatt. Vor allem die Schleimerei des Sängers ist mir gehörig auf den Keks gegangen. Technisch und vom Sound her perfekt. Mich hat diese Band hier als Fan verloren.

Massive Attack
Großes Kino, der beste Sound des Tages und alle Klassiker wurden gespielt. Einfach gut.

Dendemann
Nachdem Dendemann letztes Jahr hier den Auftritt richtig vergeigt hat, wollte er dieses Jahr zeigen, dass er es doch drauf hat. Erstaunlich fand ich, dass man ihn nach dieser Pleite in 2009 auf die große Bühne gelassen hat. Der Mann ist lernfähig. Er hat den längsten und gründlichsten Soundcheck des Tages hingelegt. Er kam mit einer vollständigen Band. Alle Bandmitglieder, Dendemann eingeschlossen, hatten schon ein sehr merkwürdiges Bühnenoutfit, wo man nicht so recht erkennen konnte, ob das ironisch gemeint war. Fakt ist, so schlimm sahen in den 80ern nicht mal Mofafahrer aus. Ich weiß nicht wo man heute solche Klamotten bekommen kann. Dazu passend die schlimmsten Verliererfrisuren, die man sich vorstellen kann. Mittelscheitel und Popelbremse!

Musikalisch war es dieses Mal erste Sahne und er hat das Publikum sofort voll im Griff gehabt. Dendemann ist zumindest musikalisch rehabilitiert. Optisch ist da nichts mehr zu retten. Ich schätze, die mussten schon sehr auf ihre Künstlerpässe hinweisen, um überhaupt auf die Bühne zu kommen.

Turbostaat
Mein persönlicher Höhepunkt des Festivals. Ich fand die Jungs schon vorher gut und vor allem die letzen Alben „Vormann Leiss“ und „Das Island Manöver“ laufen bei mir jede Woche mindestens einmal . Hier haben wir es mit einer sehr modernen Punkvariante zu tun, die musikalisch deutlich komplexer und präziser ist, als das was man sonst so aus dem Genre geboten bekommt. Der Sänger sieht aus wie Jogi Löw, benimmt sich glücklicherweise aber nicht so. Einer der Gitarristen steht so übel ab, dass man ihm lieber nicht alleine Nachts begegnen möchte und hat einen ganz klassischen Ramones Körperbau. Das sieht man auch nicht mehr oft.

Vollalarm ab der ersten Sekunde und das Publikum kannte erstaunlicherweise alle Texte und ging sofort mit. Die Jungs sind also definitiv ein nicht mehr so elitärer Geheimtipp, wie ich dachte. Auch der Sänger war sichtlich überrascht über die Textsicherheit der Zuschauer und wirkte immer wieder so, als wenn er es gar nicht fassen konnte, dass so viele Menschen sie so gut finden.

Was ich bemerkenswert fand, war mit welcher unglaublichen Geschwindigkeit das ganze Konzert über die Gitarren bearbeitet wurden. Ich hätte auch in meinen besten Tagen das Tempo keine zwei Lieder gehalten, dann wäre mit der rechte Arm abgefallen. Da wurde nicht nach Metallica Art mit Minimalhub aus dem Handgelenk gearbeitet, sondern die Anschläge kamen aus dem ganzen Unterarm mit großer Amplitude. Das war schon körperlich beeindruckend. Was noch erstaunlicher war: Das ganze erzeugte nicht den punktypischen Lärmbrei, sonder war so präzise auf den Punkt gespielt, dass alles schön klanglich ausdifferenziert blieb. Das war einfach großartig.

Deichkind
Die Jungs waren der Headliner am Sonntag und es war klar, dass hier die Steppe toben würde. Wir wurden nicht enttäuscht, alle Deichkinder waren in großer Form, obwohl sie ganz schön rundlich geworden sind. Selbst Ferris MC sah zwar fertig wie immer aus, zeigte aber keine Konditionsschwächen. Die Show und die Kostüme waren bizarr wie immer und sie haben kein Lied ausgelassen, das ich gerne gehört hätte. Es ging gleich mit „Arbeit nervt“ los. Gefreut hat mich, dass sie auch aus der vorbizarren Ära noch „Bon Voyage“ gespielt haben. Traditionell kam als letztes „Remmi Demmi“ und damit war die Stimmung auch treffend beschrieben.

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